Zur Ausstellung
Die Kunst der Nächstenliebe
Die Wanderausstellung Die Kunst der Nächstenliebe – Menschen mit Behinderung in Fotoporträts erzählt von jungen und alten Menschen, die in diakonischen Einrichtungen der 1970er und 1980er Jahre sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland lebten. Es ist jedoch keineswegs eine historische Ausstellung, denn die Porträts entziehen sich jeder zeitlichen und regionalen Zuordnung.
Die Präsentation ist in sieben Themengruppen aufgeteilt. Diese orientieren sich an den aktuell in der Inklusionsdebatte diskutierten Kategorien der Teilhabe, wie zum Beispiel: Freundschaft und Nähe oder Beweglichkeit und Begegnung oder Lernen und Neugierde. Es sind Befindlichkeiten, die für alle Menschen gleichermaßen gelten. Sie gehen uns alle an. Deshalb leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Thema Inklusion.
Gerhard Röper, Mössingen 1978
Inklusiv heißt: Alle Menschen sind überall dabei: Menschen mit und ohne Behinderung. Alle können überall mitmachen und alle sind gleichberechtigt.
Institut für inklusive Bildung
Was können uns Foto-Porträts über Inklusion erzählen?
Die Ausstellung Die Kunst der Nächstenliebe präsentiert 42 fotografische Porträts von Menschen, die in diakonischen Einrichtungen zuhause sind. Sie leben oft mit körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen. Deshalb ist Begleitung und Unterstützung nötig. Die Menschen wollen am Alltag teilnehmen: Dazu gehört ein eigener Wohnbereich, Lernen, tägliche Arbeit, Freunde treffen, mit ihnen Feste feiern oder Sport machen.
Viele Menschen, die keine besonderen Einschränkungen haben, wissen oft nicht, wie sie Menschen mit Beeinträchtigungen begegnen sollen. Ihre eigene Unsicherheit macht ihnen Angst. Daher nehmen sie höchstens nur das Anderssein wahr und weichen aus.
Harald Hauswald/Ostkreuz, Stephanus-Stiftung Berlin, 1980er Jahre
Bundesstiftung Aufarbeitung / Barbara Köppe, Mechterstedt 1972/73
Die Fotografien der Ausstellung zeigen Porträts aus dem Alltag von Kindern, jungen und alten Menschen mit Beeinträchtigungen. Wir entdecken in den Gesichtern Gefühle, die alle Menschen kennen: Unsicherheit, Frohsinn, Konzentration, Selbstbewusstsein, Trauer, Angst.
Durch die Auswahl der Fotografien werden Gemeinsamkeiten von allen Menschen sichtbar. So wird deutlich: Inklusion ist nicht nur ein soziales und institutionelles, sondern zugleich ein emotionales Thema. Inklusion beginnt zunächst im Bewusstsein eines jeden Einzelnen. Nur dann kann sie langfristig gelingen.
Diese Ausstellung nähert sich also den Gesichtern von Menschen mit Beeinträchtigungen gerade deshalb, weil die Porträts von dem erzählen, was wir heute so gerne in der Hektik unseres Alltags übersehen: Die Würde des Menschen – auch in seiner Gebrechlichkeit.
Die Ausstellung Die Kunst der Nächstenliebe basiert auf dem gleichnamigen Fotoband, der 2013 im Lukas Verlag Berlin erschien (Hg. Ursula Röper). Darin wurden Schwarz-Weiß Fotografien von Menschen mit Behinderungen und alten Menschen publiziert, die von bekannten Fotografen der ehemaligen DDR, Harald Hauswald, Dietmar Riemann, Barbara Köppe in den 1970er und 1980er Jahren in diakonischen Einrichtungen Ostdeutschlands porträtiert worden waren. Die Ausstellung erweitert diesen Ansatz um Fotografien aus derselben Zeit aus Einrichtungen Westdeutschlands von Günter Hildenhagen, Gerhard Röper und anderen.
Archiv für Diakonie und Entwicklung Berlin, Wolmirstedt 1980er Jahre
Die ausgewählten Porträts sind ein ergreifendes Plädoyer für die Menschlichkeit, ein Zeitdokument mit einem überzeitlichen Charakter. Deshalb prägen sie sich, genauso wie die Bilder der großen US-amerikanischen Fotografinnen und Fotografen Dorothea Lange, Diane Arbus, Helen Lewitt, Walker Evans oder Arthur Rothstein, so tief ins Gedächtnis ein. Sie stellen die gesellschaftlichen Normvorstellungen und Stigmatisierungen in Frage und zeigen, dass jeder Mensch einzigartig ist und als solcher akzeptiert und respektiert werden muss.
Urszula Usakowska-Wolff, Strassenfeger, Dezember 2013